Fresh
"Fresh" ist seit geraumer Zeit eine von mir bevorzugt gebrauchte Vokabel, ohne dass deren Gebrauch jemals inflationär gewesen wäre (was wiederum die Halbwertszeit erhöht). "Fresh", 1994 gedreht, ist auch die gleichnamige erste Regiearbeit von Boaz Yakin.

Yakin sieht auf Bildern aus wie eine Mischung aus dem jungen Tim Curry und einem bekifften russischen Oligarchen, der gerade ein Spiel seines gekauften Fußballclubs gesehen und das Endergebnis vergessen hat. Eine amerikanische Kindheit mit Comics und Basketball, eine Familiengeschichte, in welcher der polnische Zweig von den Nationalsozialisten ausgelöscht wurde und man sich schämt, überlebt zu haben und eine Gegenwart, in der sich Disney und Jerry Bruckheimer tummeln.
Die Liste der Einträge ist bunt: Horror (Regie & Drehbuch Boarding School, Produzent Hostel 1 & 2), Kitsh (Drehbuch Prince of Persia), Action (Regie & Drehbuch Safe - Todsicher, mit Jason Statham, aber was heißt das heute noch), Splatter (Drehbuch From Dusk Till Dawn 2, Produzent 2001 Maniacs), Thriller (Drehbuch Die Unfassbaren) und Commedy (Regie Uptown Girls). Überall hat Yakin anscheinend mehr aus jedem investierten Dollar gemacht.
Erster Regieeintrag ist "Fresh", die Geschichte eine halbwüchsigen schachspielenden Schwarzen, der Botengänge für Dealer übernimmt und als seine sich anbahnende Romanze tödlicher Collateralschaden einer Schießerei wird, Zug um Zug seine Rache plant. Ein Hoch auf die Zeit, als Filme noch nicht an der totalen Perfektion erstickt sind, das Vokabular der Schimpfworte nicht nur aus "Mistkerl" bestand. Fresh ist nicht weichgespült, adressiert keine am Reißbrett konstruierte Zielgruppe, hebt keinen Zeigefinger und muss es nicht allen Recht machen. Alles Klippen, die man heute erst einmal umschiffen muss. Schaut man sich die Liste an, war Yakins erster möglicherweise auch sein letzter "persönlicher" Film.
Es dauert eine halbe Stunde, bis Fresh an einem Brett sitzt und ein großspuriges Weißbrot abzieht und man ahnt, wie gut Fresh Schach spielt. Nächstes Brett, nächstes Spiel, ein älterer schwarzer Herr. "Hi Dad". Nach ein paar Wortwechseln rügt der Vater den Sohn, der sich mit solchen kleinen Abzockereien zufrieden gibt:
"Zeit ist nun mal nicht Geld, egal was diese Idioten dir einreden wollen. Alles Verlorene kann man wiederfinden, außer verschwendete Zeit."
Das ist schlicht, einfach, bekannt und doch wunderschön in Szene gesetzt. Und zudem nach den ersten 30 Minuten eines Film ein klassischer Dreh- und Angelpunkt eines Drehbuchs.
Dad, gespielt von Samuel L. Jackson war zu diesem Zeitpunkt 46 Jahre alt, ohne jedoch so auszusehen, hatte über 40 Filme gedreht (1994 allein sieben) und sollte im selben Jahr mit Pulp Fiction in den Orbit katapultiert werden. Den Ziehvater von Fresh kennt man als Gustavo "Gus" Fring aus Breaking Bad, Giancarlo Esposito, der in diversen Spike-Lee-Filmen zu sehen war (Malcolm X, Mo Better Blues, Do The Right Thing). Die Musik kommt von Stewart Copeland, dem wahrscheinlich mit Abstand freundlichsten Police-Mitglied.
Unter dem Strich für einen 5-Euro-Verlegenheitskauf vom Wühltisch beim Mediamarkt gar nicht mal so übel.