Hundstage an der Mo-Sel

DO-SO: In Frankfurt geht es mit der Bahn los, vom Deutschen Eck dann mit dem Rad bis nach Trier.

Start

Der Ausblick auf den Rhein macht Lust auf mehr.

Und so wird die trophologische Bilanz des ersten Tages aussehen:

• 2 x 0,5 Dosen Bitburger
• 1 Banane
• 1 0,5 Hefeweizen
• 1 Hotdog
• 1 0,5 Radler
• 1 Wiener Schnitzel
• 1 0,4 Pils
• 3 0,2 Weißwein
• 1 0,3 Pils

Das ist der Tagesbedarf bildungsferner Schichten (von "Ernährung" mag man da gar nicht reden) und doch ... das hat was ...

Treis-Karben

Gefüllte Römerkelche, Kantoffelsalat und Nucki - es fehlt an nichts.

Das Gasthaus Gräf, für viele Reisende das "Tor zur Mosel", besticht durch Freundlichkeit seiner Betreiber, expressionistisches Interieur sowie ein wirklichkeitsgetreues Stillleben am Eingang.

Beilstein

So geht Mosel: Campingplatz auf der einen Seite des Flusses, Burg, Kapelle, Promenande und Winzerschenken auf der anderen; dazwischen eine Fähre. Bemerkenswert: In Beilstein wird mit dem "Haus Kein Moselblick" auch mal kein Moselblick angepriesen.

unterwegs

Mesenich, Hochmoselbrücke, Rachtig, Reil und so weiter. Gut 100 Tageskilometer am Samstag (Schleifen werden ausgefahren) bei 7 l Flüssigkeitszufuhr.

die dunkle Seite: Binde-Strich und Koffer Wörter

Im Herzen der Mosel (falls ein Fluss so etwas hat) offenbart sich die dunkle Seite dieser ansonsten hübschen Region, nämlich eine tiefe orthografische Finsternis, in der jegliche Regel verschwindet wie Materie in einem schwarzen Loch. So wird der Trennstrich wahlweise inflationär oder gar nicht eingesetzt, von den flottierenden Binnengroßbuchstaben ganz zu schweigen. Wörter wie Männergesangverein werden mit dem Rinderspalter in ihre Einzelteile zerhackt, statt einem Zwiebelschnitzel wird Zwiebel und Schnitzel serviert und am Wegesrand bietet jemand Fahrrad, Reparatur und Verkauf feil. Die Folge ist eine unmittelbare Zer-Rüttung jeglichen Sprach Empfindens, so dass nach nicht einmal zwei Tagen die vorüber fliegenden Wörter wahllos zusammengesetzt oder aus einander genommen werden und man Post Kutsche liest oder sich über den Strich in einem Doppel-Namen empört, weil es doch eher Schuhsausen heißen müsste. Es ist ein Jammer.

Trier

Nach Zielerreichung und einem ausgedehnten nächtlichen Saunagang im Dachgeschoss einer außerhalb gelegenen Pension, bleibt vor der Abfahrt noch etwas Zeit zum Flanieren. Trier, einst stolzes katholisches Bistum und als Garnisonsstadt aufgrund seiner Nähe zum Erzfeind lange von gehobener Bedeutung, strahlt trotz seiner touristischen Hot Spots nicht mehr den Glanz vergangener Tage aus. 

die Augenbrauen Ambulanz

So ist man bei der Wiederbelebung der Innenstadt mittlerweile auch auf mediokre Unternehmungen angewiesen, beispielsweise die unweit des Hauptbahnhofs gelegene "Augenbrauen Ambulanz". Dort können Reisende nach dem Durchqueren der aus den Asphaltritzen aufsteigenden Dämpfe ihre Wartezeit mit der Pflege einer verunglückten Augenbraue zubringen, die sich etwa beim Sturz in der schlingernden Zugtoilette verbogen hat. Wer glimpflicher den Fängen der Deutschen Bahn entronnen ist und im Spiegel nur die Korrekturbedürftigkeit seiner Haarbögen erkannt hat, der - oder die - wird nach einer kurzen profunden Beratung wieder auf den rechten Weg gebracht. Dabei ist es der fachmännische und vor allem fremde Blick auf das eigene Selbst, der zu neuen Erkenntnissen und einer bei Bedarf mit Warmwachs optimierten Augenbraue verhilft.

Und was bleibt nun von der schweißtreibenden Fahrt in der glühenden Hitze? ("Dürresommer" ungefähr 122.000 Treffer, "Dürre-Sommer" ungefähr 29.500 Ergebnisse) Unter anderem die Einsicht, dass es durchaus gesund ist, sich von dem ein oder anderen Menschen zu verabschieden, sei es, weil der Strom der Zeit sie fortgetragen hat, sei es, weil man sie nicht mehr an seiner Seite wissen möchte. Kaum anders ist es bei den Moselweinen, auch dort gibt es Licht und Schatten.