Wiebelsbach – Heubach – Mömlingen - Obernburg
1 Kirche, 1 Schule, 1 Bahnstation - ist das schon ein Ort? Wie auch immer: In Wiebelsbach beginnt die Route, die bis nach Obernburg an den Main führt. Die von Google berechneten 4 Stunden sind natürlich Unfug, das Ganze wird alles in allem einen ganzen Tag in Anspruch nehmen.

Heubach
In Heubach, im schönen Heubach, lauschen wir dem Ständchen, das uns von einer Flex und einer Kreissäge dargebracht wird. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein Rasenmäher das klassische ländliche Trio komplettiert. Das Muster in einem Zaun an der Wilhelm-Leuschner-Straße (kein Ort in Hessen ohne Wilhelm-Leuschner-Straße/Halle/Platz/Weg) verschwimmt nach längerem Hinschauen zur Hakenkreuzbastelei, was angesichts der Biographie von Leuschner fatal ist. In Deutungsfragen verheddert, kann ich das im Sand versunkene Objekt am Ortsrand nicht dechiffrieren – es ist, wie man mir versichert, ein Spielzeugbagger. Kann man so machen.
im Wald
Wohl dem, der Wasser, Wurst und gute Freunde hat! Und natürlich Eau de Vie, in diesem Fall Williams Christ. So geht es Stunde um Stunde dahin, vorbei an Wald-Armorbach, über die Grenze nach Bayern, auf das muntere Mümmlingstal zu, wie es in einer lyrischen Preziose der touristischen Arbeitsgemeinschaft "Munteres Mümmlingtal" heißt.

munteres Mömmlingen

Kommen wir nun ohne Umschweife zur Hauptattraktion der kleinen unterfränkischen Gemeinde und auch des heutigen Tages: Dem im südlichen Teil des Städtchens gelegenen Kreisverkehr der Bundesstraße 426. Hier erfreut sich die Landbevölkerung an den kapitalen Fliehkräften, die sich im Kreisel erzeugen lassen, hier hat die rurale gastronomische Troika ihren Sitz, bestehend aus dem Griechen (Restaurant Calypso), dem Italiener (Eiscafe Lido) und dem Türken (Sultan Kebap Haus).
Wir entscheiden uns für das Sultan Kebap Haus und werden mit Weißbier, Radler und solidem Fastfood belohnt. Im Verlauf des Aufenthaltes, bei dem sich die Gespräche zunehmend um verschiedene Muskelgruppen drehen - ein Begriff, der spätestens bei der Heimfahrt das Wort des Tages ist, wird meine Aufmerksamkeit mehr und mehr vom Kreisel in Anspruch genommen. Es ist Samstag Nachmittag, die Twilight Zone zwischen Woche und Ende, das Zeitfenster für so genannte Erledigungen. Kleintransporter aus dem Gas-Wasser-Scheiße-Universum rollen hin und her, Betonkosmetik, Blecharbeiten, Projektbau. Das ein oder andere grell lackierte Trike knattert über die Bühne. Überdosierte Klein- und Mittelklassewagen flitzen durch die Arena.
Und ein auberginefarbenes Käfer-Cabrio.
Einmal. Zweimal. Und noch ein weiters, ein drittes Mal. Das Blubbern des VW-Motors wird von uns bereits vor seinem Erscheinen erkannt, wie es sich in einer der hinteren Seitenstraßen zusammenbraut oder auf dem Zubringer ungebremst von irgendwelchen Häusern frei schallend heranrollt. Nach dem vierten Mal steigt ein Kichern in mir auf und ich beginne, mit forcierter Hingabe auf das Geräusch zu horchen, um ja nicht die nächste Wiederankunft zu verpassen, die nach viermaliger Vorbeifahrt eher unwahrscheinlich ist. Nein. Doch. Da! Ein fünftes Mal! Jubelnd feiere ich den Wiedergänger, wohl wissend, dass es unwiderruflich das letzte Mal gewesen sein dürfte, denn wer würde so dämlich sein, stumpf und ausdauernd die Gassen mit seiner Auspuffanlage zu penetrieren und ununterbrochen sinnlos in der Gegend umher zu fahren? Wer? Ich denke ernsthaft darüber nach, beim nächsten Mal jubelnd auf die Straße zu stürmen, allerdings ist der Kreisel zu weit entfernt. Moment ... das ist doch ... nein ... unfassbar! Ein sechstes Mal streift der Asteroid auf seiner Umlaufbahn im Vorbeiflug den Kreisel und verschwindet erneut. Sechs! Mal! In einer halben Stunde! Mittlerweile bin ich vollends von Endorphinen geflutet ob dieser Fügung, Zeuge eines einzigartigen Naturschauspiels zu sein und als die Kolonne einer Hochzeitsgesellschaft in den Kreis einschwenkt, prophezeie ich als frisch gekürter Jünger dieses rollenden Messias meinen Weggefährten eine weitere, siebte Ankunft, die dann auch unverzüglich eintritt, als wir den Käfer in der trötenden Polonaise entdecken, was mich vollends in die Ekstase treibt. Das ist Magie und mit Worten nicht zu beschreiben ... das ist ... ein Wunder!
Die achte Vorbeifahrt vollzieht sich im Nebel einer Trance. Ich halte mich verschwitzt und zitternd an meinen Stuhl fest in der Hoffnung, unbeschadet zurück in den Wachzustand zu finden. Dann brechen wir auf. Es liegen noch acht lange Kilometer oder gar mehr vor unseren geschundenen Leibern.
der Rest
Der Weg nach Obernburg führt durch Eisenbach und dort an der Sportgaststätte des TSV Olympia vorbei. Eine glückliche Fügung: Verschiedene Muskelgruppen benötigen selbst nach dem kurzen Streckenabschnitt Regeneration, zudem verbessert jetzt ein Getränk den Flüssigkeitshaushalt.
Keine Macht den Drogen - ganz recht ... 3 Schlappeseppel bitte!
Wegmarken
Nach verschiedenen Exponaten Absurder Kunst landen wir schließlich wir in Obernburg, im Biergarten eines Hotels. Die Küche ist langsam aber ausgesprochen gut, das Kellerbier, in Steinkrügen ausgeschenkt, mundet vorzüglich. Einziger Punktabzug: Die musikalische Beschallung der Toiletten, die mit Phil Collins und anderem toxischen Material kontaminiert werden. Um 21:41 nehmen wir in einer 50:50-Situation den falschen von zwei Zügen und müssen nachlösen. In Aschaffenburg steigen wir um, von Frankfurt nach Langen ist es dann nur noch ein Klacks mit dem Regio. Zum Glück steht das Auto am Bahnhof (die Muskelgruppen) und wir legen die letzten Meter fahrend zurück. Ein Geschenk. Wie der ganze Tag.